Rettet Luxemburg Verbraucher vor dem Ruin?
Luxemburg - In Kürze könnte der Europäische Gerichtshof
(EuGH) in Luxemburg mal wieder Geschichte schreiben. Denn am 15. Juni
geht es dort um die Frage, wie ein an der Haustür zu Stande gekommener
Kreditvertrag zum Erwerb einer Immobilie nach erfolgtem Widerruf
abzuwickeln ist.
Vielen Klein- und Durchschnittsverdienern wurde in den neunziger Jahren
von dubiosen Firmen und so genannten Drückerkolonnen auf diesem Weg
eine Immobilie zum Zwecke der Altersvorsorge vermittelt. Ein
wesentliches Verkaufsargument war, dass man kein oder nur wenig
Eigenkapital benötige und staatliche Vergünstigungen durch
Steuervorteile erzielen könne. Die Wohnung sei von einer seriösen
deutschen Großbank finanziert und geprüft, das Geschäft daher
risikolos. Die Vertragsformulare hatten die Vermittler gleich dabei,
sodass diese noch am Wohnzimmertisch unterzeichnet wurden. So auch die
Kreditverträge zur Bezahlung des Kaufpreises der Wohnung.
Viele Käufer haben auf diese Weise von einer Bank einen Kredit
erhalten, ohne diese Bank jemals zu betreten oder von einem
Bankmitarbeiter beraten worden zu sein. "Die obligatorische Beratung
ließen die Banken "ihre" Drücker erledigen - obgleich sie heute in der
Regel leugnen, je mit den "Beratern" zusammengearbeitet zu haben",
berichtet der auf Kapitalanlagerecht spezialisierte Rechtsanwalt Jörg
Ebenrecht von der Kanzlei Bornemann-von Loeben in Heidelberg.
Die Käufer sitzen heute auf einem Schuldenberg, viele mussten schon
Verbraucherinsolvenz beantragen. Denn die Wohnungen wurden weit über
dem Marktwert verkauft und von den Kreditinstituten entgegen aller
Vorschriften kritiklos finanziert. Diese Wohnungen lassen sich häufig
schlecht vermieten, schwer verkaufen und oft nicht einmal in der
Zwangsvollstreckung verwerten. Die Mieteinnahmen stehen, so denn
überhaupt welche erzielt werden, in keinem Verhältnis zu den
Verpflichtungen aus den Krediten.
Da die Kreditverträge zu Hause und in den meisten Fällen ohne
Widerrufsbelehrung geschlossen wurden, hat der EuGH schon am 13.
Dezember 2001 entschieden, dass diese Kreditverträge widerrufen werden
können und die Kreditnehmer aus "allen vertraglichen Verpflichtungen"
zu befreien seien. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat jedoch
knapp ein Jahr später entschieden, dass der Kreditnehmer zwar den
Kreditvertrag widerrufen kann, das Darlehen dennoch an die Bank
zurückzahlen muss. Zudem habe er eine marktübliche Verzinsung zu
zahlen. "Das dem Verbraucher vom EuGH eingeräumte Widerrufsrecht wurde
vom BGH wirtschaftlich auf null reduziert", kritisiert Anwalt Ebenrecht
diese Entscheidung.
Gegen diese Auffassung des BGH hat sich nun ein deutsches Landgericht
gestellt, das in dem BGH-Urteil eine Missachtung und Umgehung der
Vorgaben aus Luxemburg sieht. Der Verbraucher sei von allen
vertraglichen Verbindlichkeiten zu befreien, also auch von der
Verpflichtung, das Darlehen an die Bank zurückzubezahlen.
Sollten die Luxemburger Richter sich nun dieser Meinung anschließen, so
könnte dies für die geschädigten Verbraucher die Rettung vor dem Ruin
bedeuten. Und die Zeichen stehen gut. "Die Europäische Kommission hat
sich in ihrer vom EuGH eingeholten Stellungnahme ganz im Sinne des
Verbrauchers geäußert", berichtet Jörg Ebenrecht. Sie sieht in der
deutschen Umsetzung des Urteils einen klaren Verstoß gegen EU-Recht und
rügt den Bundesgerichtshof mit ungewöhnlich scharfen Worten. fhs
Artikel erschienen am 2. Mai 2004
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